Die neue Lufthansa-Gebühr erhitzt die Gemüter

06-06-2015 01:11

Der Plan der Lufthansa, ab September auf zahlreiche Flugtickets eine Zusatzgebühr von 16 Euro zu erheben, bringt dem Konzern Kritik aus der Reisebranche ein. Doch nicht alle Buchungswege sind betroffen.

Die Deutsche Lufthansa zieht den Unmut der Reisebranche auf sich. Auslöser für das Protestgewitter über dem Konzern ist die neue Vertriebsstrategie, mit der Jens Bischof, der zuständige Vorstand der Passagierreisesparte den Ticketverkauf auf Effizienz trimmen will.

Er hat sich dabei auf die globalen Buchungssysteme (GDS) eingeschossen, die Reisebüros und Online-Portalen Flugzeiten und -preise liefern und dafür von den Gesellschaften Gebühren kassieren. Amadeus, der größte Buchungssystembetreiber, sieht sich zu Unrecht in die Rolle eines Sündenbocks für hohe Ticketpreise gedrängt.

Die GDS sind doch keine Bestrafungsaktion für Bürger. Der direkte Vertrieb von Flugtickets über eigene Internetseiten ist für Fluggesellschaften meist teurer und für den Endkonsumenten nicht transparent. Ihm fehlen die Vergleichsangebote der anderen Airlines“, sagt Amadeus-Vertriebschef Holger Taubmann im Gespräch mit dieser Zeitung.

Mit der Erfindung der Distribution Cost Charge – übersetzt Vertriebskostengebühr – will Bischof ab September Kosten für die Vermittlung von Tickets über GDS weiterreichen. 16 Euro Aufschlag soll es kosten, wenn ein Ticket nicht direkt bei Lufthansa, sondern unter Nutzung eines Buchungssystems von Konzernen wie Amadeus, Sabre oder Travelport im Reisebüro oder online gebucht wird. Verkaufsstellen und GDS-Betreiber könnten dadurch Einnahmen verlieren.

Fluggesellschaften unter Druck

Aus Sicht von Taubmann ist die Kritik der Lufthansa an den Gebühren von Amadeus vorgeschoben, zumal sich die beiden Konzerne gerade auf einen neuen Vertrag geeinigt hatten. „Lufthansa geht es doch nur darum, mehr Geld zu verdienen. Das ist völlig legitim. Nun werden aber die Buchungssystembetreiber als Schuldige für die wirtschaftliche Lage von Fluggesellschaften vorgeführt“, sagt Taubmann. Die Ankündigung des Aufschlags sei ein „Rundumschlag, der nur aus der wirtschaftlichen Situation der Lufthansa erklärt werden kann“. Lufthansa hatte 2014 unterm Strich 55 Millionen Euro verdient – Amadeus mehr als zehnmal so viel, obwohl das Größenverhältnis beim Umsatz anders herum ist.

Europas Traditionsgesellschaften wie Lufthansa oder Air France stehen seit längerem unter Druck. Auf kurzen Strecken werden sie von Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet attackiert, auf langen Strecken expandieren Konkurrenten wie Emirates, Etihad und Qatar Airways. Als Gegenmittel sieht Lufthansa, Passagiere so zu lenken, dass sie direkt bei dem Konzern buchen. Dann können besser Zusatzleistungen zum Flug verkauft, Kundendaten gesammelt – und nach Angaben des Konzerns Kosten gespart werden.

  • Taubmann glaubt nicht, dass Reisende lieber direkt bei einer Gesellschaft buchen statt über ein Vergleichsportal. „Menschen gehen zum Einkaufen nun mal in den Supermarkt und wenden sich nicht direkt an den Hersteller.

     

    Für Konzerne, die über Geschäftsreisebüros die Reisen ihrer Manager organisieren, gelte das erst recht. „Große Konzerne haben kein Interesse, lange nach günstigen Flügen zu suchen. Die dafür nötige Arbeitszeit kostet mehr, als sich durch ein vermeintliches Billigticket sparen lässt.“

    Reisebüros, die während der jüngsten Streiks Tausenden Kunden alternative Reisewege organisierten, sehen sich durch den Strategieschwenk der Lufthansa ins Abseits gestellt.

  • Dass der Konzern ihnen ein separates Portal öffnet, wo sie die GDS-Gebühr sparen können, besänftigt sie nicht. Wenn Lufthansa Nachahmer fände, müssten Reisebüros Portale zahlreicher anderer Gesellschaften aufrufen, um wirkungsvoll Preise zu vergleichen. „Das erzeugt unnötige Komplexität. Die Mehrarbeit wird den Reisebüros nicht bezahlt“, sagt Taubmann.

    Lufthansa-Manager Bischof hatte vorgerechnet, dass es den Konzern zwei Euro koste, ein Ticket über die eigene Internetseite abzusetzen. Für Buchungen, für die ein GDS genutzt wird, werden 16 Euro mehr veranschlagt, insgesamt koste der Vertrieb über Buchungssysteme jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag. Taubmann rechnet anders:

  • Wenn man die Kosten für Werbung und Auffindbarkeit im Internet mitberücksichtigt, gilt die Regel, dass eine Online-Buchung Kosten von bis zu 20 Euro verursacht.“ 30 bis 40 Prozent der Tickets würden in dem Anbietersegment, in dem Lufthansa tätig ist, direkt online gebucht. Rund 70 Prozent dieser Online-Kunden gingen aber nicht direkt auf die Seiten von Airlines, sondern suchen zunächst bei Google oder auf Meta-Suchportalen wie Kayak und Skyscanner.

  • Für jede Weiterleitung werde ein Kleinbetrag fällig – egal ob der Kunde dann bucht oder nicht. „Eigentlich versuchen Fluggesellschaften, Metasearchern zu entkommen. Je mehr sie sich aber von Reisebüros und GDS abwenden, desto mehr gelangen sie in die kurzfristige Loyalität der Internetsucher“, ist Taubmann überzeugt.

    Der Kurs der Amadeus-Aktie war nach Bekanntwerden der Lufthansa-Pläne zeitweise um 10 Prozent abgesackt. Taubmann fürchtet aber keine langfristigen Folgen. „Wir sehen keine Hinweise, dass andere Fluggesellschaften zu Nachahmern werden. Sie werden erst mal zusehen, welche Erfahrungen Lufthansa sammelt und den Lufthansa-Kernmarkt angreifen“, sagt er.

Faz/TIMO KOTOWSKI