EU-Parlament: Schulz verhängt Hausverbot für russische Diplomaten
03-06-2015 16:12
So etwas kommt im Kanzleramt nicht allzu oft vor. Bei der Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi hat es einen Zwischenfall gegeben. Eine junge Medizinstudentin mit Kopftuch, die sich als Journalistin akkreditiert hatte, rief Sisi mehrfach zu: "Du bist ein Mörder, du bist ein Nazi, du bist ein Faschist". Daraufhin standen Dutzende ägyptische Journalisten auf und skandierten: "Es lebe Ägypten!"
Das EU-Parlament hat auf die schwarze Liste Russlands reagiert: Präsident Martin Schulz erlässt ein Hausverbot für russische Diplomaten.

Die ägyptischen Journalisten hatten bereits während der Pressekonferenz zwei Mal lautstark applaudiert - ein ebenfalls ungewöhnlicher Vorgang im Kanzleramt. Kanzlerin Merkel reagierte sichtlich verstört auf die Vorgänge, bevor sie von Sicherheits-Beamten vom Pressepodest eskortiert wurde.
Die junge Frau mit Kopftuch sagte SPIEGEL ONLINE, sie sei eine Medizinstudentin aus Mainz. Beim Verlassen des Gebäudes wurde sie von Polizeibeamten in die Zufahrtstraße des Kanzleramtes gebracht. Dort bat sie die Deutschen Sicherheitskräfte, sie zu schützen. Vor dem Kanzleramt demonstrierten mehrere Hundert Anhänger Sisis.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) übt Vergeltung für die schwarze Liste Russlands: Für russische Diplomaten gilt nun ein Hausverbot im Europäischen Parlament. Bis auf zwei Ausnahmen dürfen die Politiker das Gebäude künftig nicht mehr betreten. Außerdem wird unter anderem die Arbeit eines russisch-europäischen Kooperationsausschusses ausgesetzt.
Russland hatte vergangene Woche Einreiseverbote für 89 europäische Politiker und Behördenvertreter verhängt. Moskau habe bislang keine vernünftige Erklärung für diesen Schritt geliefert, ließ Schulz am Dienstagabend erklären. Deswegen sei es nun an der Zeit, mit angemessenen Maßnahmen zu reagieren.
Aus Russland kam prompt Kritik. Die Vergeltungsmaßnahmen seien eine "Rückkehr zur Inquisition", sagte Maria Sacharowa vom Außenministerium. "Die Jagd auf russische Hexen ist eröffnet." Sacharowa verlangte eine Erklärung der EU.
Lediglich der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow sowie ein Mitarbeiter sind von dem Hausverbot für Diplomaten ausgenommen. Falls Mitglieder der Duma und des russischen Föderationsrats Anträge auf Zutritt stellen, sollen diese von Fall zu Fall geprüft werden.
Unter den betroffenen deutschen Politikern wird die Entscheidung des EU-Parlaments begrüßt: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, sagte, sie habe in Berlin und Brüssel gehört, dass die russischen Botschaften mit ihren Mitarbeitern an der Erstellung der sogenannten "schwarzen Liste" beteiligt gewesen seien. Sie halte es deswegen für konsequent, solchen Personen Restriktionen aufzuerlegen, sagte Harms.
Harms warnte zugleich davor, die jüngsten Ereignisse überzubewerten. "Was ich nicht richtig finde ist, dass man diese Liste jetzt als große neue Eskalation ansieht", sagte Harms.
Moskaus schwarze Liste wurde zuvor als Reaktion auf Strafmaßnahmen einschließlich Einreiseverboten gegen russische Politiker gewertet, die die EU wegen der Annexion der Krim und der russischen Einmischung in den Konflikt in der Ost-Ukraine verhängt hatte.
kry/dpa